Claudia Friedl Rede 2021

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Der Bodensee Friedensweg 2021 in Überlingen kann wegen Corona nicht stattfinden. Darum werden die geplanten Ansprachen online veröffentlicht.

Hier der Beitrag von Claudia Friedl, Nationalrätin SP und Umweltwissenschaftlerin, St.Gallen. Sie spricht zum Thema:

«Nur mit Klimagerechtigkeit schaffen wir Frieden – Solidarität in der Corona-Katastrophe».

 

 

 

  • Nur mit Klimagerechtigkeit schaffen wir Frieden – Solidarität in der Corona-Krise

 

PDF Rede in schriftlicher Form

Claudia Friedl, Nationalrätin SP/SG
Ostermarsch 2021

Liebe Freundinnen und Freunde

Schön, dass ich euch heute begrüssen darf,
schade, dass wir nicht gemeinsam in Überlingen sein können.
Schon vor einem Jahr musste der Ostermarsch abgesagt werden. Wer hätte gedacht, dass es dieses Jahr immer noch nicht möglich ist, sich in grosser Zahl zu treffen.


Die Pandemie umfasst mittlerweile die ganze Welt. Viele sind müde von den einzuhaltenden Massnahmen, oder haben sogar einen Menschen verloren. Jetzt verspüren wir aber doch etwas Hoffnung, dass durch die Impfung sich unser Zusammenleben wieder normalisieren könnte. Aber vergessen wir nicht, Impfstoff ist knapp, auch hier bei uns in der Schweiz und der EU. Von einer gerechten Verteilung über die ganze Welt, also auch an die ärmsten Länder, sind wir  weit entfernt, obwohl das grossartig versprochen worden ist. Wir müssen uns jetzt dafür einsetzen, dass alle Zugang zum Impfstoff haben. Nur so kriegen wir das Virus in den Griff. Nationalismus ist bei einer globalen Krise fehl am Platz.


Das gleiche gilt nicht nur für eine Pandemie, sondern auch für ein weitere, globale Herausforderung, die uns jetzt sofort und die nächsten Jahrzehnte enorm beschäftigen wird: Der Klimawandel.
Die Erde kocht und wir heizen weiter kräftig ein. In den Ländern hier rund um den Bodensee verursacht eine Person durch ihren Konsum jedes Jahr zwischen 10 und 14 Tonnen klimaschädliches CO2. Am anderen Ende der Liste sind die Länder des globalen Südens. Eine Person in Guinea oder Ruanda verursacht durch ihren Konsum weniger als 0.1 Tonnen CO2 pro Jahr. Und da zeigt sich das  Problem: Der Klimawandel ist nicht gerecht. Die Industrieländer produzieren nicht nur aktuell viel mehr CO2, wir blasen es bereits schon seit über hundert Jahre ununterbrochen in die Atmosphäre.


Den Klimawandel aber spüren wir heute überall. Während wir hier bei uns die Möglichkeiten haben, uns einigermassen davor zu schützen, sieht es bei den Ländern des Südens anders aus. Die Folgen, die sich dort vor allem zeigen, sind eine enorme Verknappung des Süsswassers, ein Rückgang der Ernten und Nahrungsmittel, eine markante Zunahme von Stürmen und Flutkatastrophen. Das UN-Klimabüro geht davon aus, dass bis ins Jahr 2050 150 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden. Das bedeutet, sie müssen ihre Heimat verlassen. Es wird  Auseinandersetzungen um die knappen Ressourcen geben, Konflikte werden zunehmen.


Eine wirkungsvolle Klimapolitik ist daher unverzichtbar für eine erfolgreiche Friedenspolitik.
Es braucht jetzt Massnahmen gegen den weiteren CO2-Ausstoss von uns privilegierten Bewohnerinnen und Bewohnern dieser Erde, damit der Temperaturanstieg auf 1.5° gedrückt werden kann!
Es braucht einen Effort von unserer Seite als Beitrag zur Klimagerechtigkeit, denn gerecht war das Energiegeschäft nie. Von der Petro-Industrie konnte nie die Bevölkerung der ärmsten Länder profitieren. Es sind einerseits die Machthaber in den rohstoffreichen Ländern, die sich mit den Gewinnen aus dem Rohstoffhandel an der Macht halten können oder aber die internationalen Unternehmen mit Sitz in unseren Ländern, die die Milliardengewinne einfahren. Für die Menschen in den Ländern des Südens, die zwar im Besitz von Öl und Gas sind, bleibt finanziell nichts liegen. Ich erinnere an das aktuelle Beispiel von Moçambique. Der Handel mit Rohstoffen ist oft eng mit Korruption verbunden. Diese führt zu Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg. Die Bevölkerung bleibt in der Armut oder wird vertrieben. Es ist Zeit, dass es eine volle Transparenz über sämtliche Finanzströme gibt. Wo es unrechtmässige Bereicherungen gab, die sogar noch bei uns auf den Konten liegen, muss das Geld an die Bevölkerung zurückgegeben werden. Dafür müssen wir uns einsetzen.


Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Industrieländer ihr Versprechen halten, welches sie 2015 am Pariser Klimagipfel abgegeben haben. Es geht um das Versprechen, den Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden Dollar zusätzlich zu den bisherigen Entwicklungsgeldern für die Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung zu stellen. Damit können die Länder Massnahmen ergreifen, um Treibhausgase zu vermindern und um die notwendigen Schutzanpassungen an den Klimawandel vorzunehmen. Die Schweiz hat schon vor der Corona-Pandemie signalisiert, dass sie die versprochenen Millionen aus der Kasse der Entwicklungshilfe nehmen wird. So war das aber nicht gemeint! Lieber investiert die Schweiz das Geld in neue Kampfjets – die dienen aber weder dem Klima, noch dem Frieden.

 

Lasst mich noch einen kurzen Blick auf die politische Lage in verschiedenen Ländern werfen. Es sind zahlreiche Konflikte, mit denen wir täglich und zum Teil schon jahrelang, konfrontiert werden. Machterhalt, Demokratieverlust, Unterdrückung von Minderheiten nehmen beträchtlich zu.
Vor 3 Wochen besuchte uns die Belarussiche Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja im Schweizer Parlament. Seit den Wahlfälschungen letzten Sommer demonstrieren tausende Menschen in Belarus für mehr Demokratie und Gerechtigkeit. Sie werden brutal von den Sicherheitskräften geschlagen und viele werden grundlos verhaftet und zu unverhältnismässig langen Haftstrafen verurteilt.
In Hongkong demonstrieren Tausende unter Gefährdung ihres Lebens für mehr Demokratie und Freiheit.
In Myanmar schlägt die Militärjunta ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger brutal nieder und erschiesst Demonstrierende, es gibt Hunderte Tote, Tausende Gefangene.


In China wird mit den Uiguren ein ganzes Volk unterdrückt, weggesperrt und umerzogen.
In der Türkei geht die Verfolgung und Amtsenthebung der gewählten, kurdennahen HDP-Abgeordneten ungebrochen weiter. Ja, sogar aus der Istanbul-Konvention ist Erdogan ausgetreten, die Konvention des Europarates, die sich auf den Schutz der Frauen vor Gewalt bezieht.
Die Liste wäre noch lang. Es sind viele mutige Menschen, die sich für Demokratie, Menschenrechte und Freiheit einsetzen. Es ist an uns, unsere Solidarität mit ihnen zu zeigen. Es ist auch an uns, unsere Regierungen aufzufordern, dass sie keinen Pakt mit Machthabern eingehen, die ihre Bevölkerung drangsalieren,
dass sie bereit sind, Sanktionen gegen Machthabende und ihre Helfer zu ergreifen,
dass sie sich entschieden äussern gegen Rassismus und Sexismus.

Liebe Friedensfreundinnen und –freunde, wenn wir uns jetzt nicht einsetzen für eine gerechte Klimapolitik, die die Bedürfnisse des Südens miteinbezieht, dann verpassen wir die Chance, die Zukunft positiv zu gestalten. Helfen wir mit, dass die Klimakrise so überwunden werden kann, dass sie nicht zur Friedenskrise wird.
Machen wir die Klimapolitik enkeltauglich, machen wir sie friedenstauglich.

 

Ich danke euch!

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Koordination:

Frieder Fahrbach | Lindau | bfwfahrbach(at)aol.com

 

 

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